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Bossert, Ulrich : Modellexperimente zum Wärmehaushalt der Säugetiere – In: Biologie in der Schule. – Berlin 47 (1998) 5. – S. 268 - 271
Eine didaktische Begründung für die Doppelstunde findet man auf den Seiten Bessere Lehrplangestaltung und Didaktisches Auswahlschema.
Auf der gesonderten Seite Versuchsanleitung findet man ein Arbeitsblatt zur Hausaufgabe.
Als Hausaufgabe haben die Schülerinnen und Schüler der Klasse 5a (Schuljahr 2000 / 2001)den Versuchsaufbau gezeichnet. Aus den vielen Bildern wurden einige Darstellungen ausgewählt.
Die didaktische Begründung für diese Doppelstunde in einer 5.Klasse ist in dem Auswahlschema verkürzt dargelegt. Die Planung der Stunden und die in dem dort abgedruckten Auswahlrahmen aufgeführten Kriterien sollen hier etwas näher begründet werden.
Der Ablauf der Stunden ist normal, die didaktische Begründung
kursiv und das Tafelbild fett gedruckt.
Um den Lesefluß nicht zu stören, wurden Erläuterungen
praktischer Art an den Schluß gestellt; im Text verweisen eingeklammerte,
hochgestellte Zahlen auf sie.
1. | Hausaufgabe (1) für die Stunde war es, die Temperaturänderung einer heißen Flüssigkeit in einer Tasse zu messen. Die Ergebnisse sollten in einer Tabelle notiert werden. |
1. | Es wird ein Alltagsphänomen
exakt untersucht. Eine Anleitung muß genau umgesetzt und den häuslichen
Gegebenheiten angepaßt werden. Es ist ein gewisses Maß an Organisationstalent
nötig. Die Thermometer müssen richtig abgelesen und die Werte
in die vorgegebene Tabelle eingetragen werden. Zusätzlich könnte
die graphische Darstellung als Säulendiagramm geübt werden.
Die Hausaufgabe verlangt das kreative Umsetzen einer genauen Vorschrift und exaktes Arbeiten. Die Kinder lernen, daß immer Kontrollmessungen nötig sind. Sie werden zu zusätzlichen Versuchen angeregt.
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2. | Die Ergebnisse werden besprochen.
Dabei wird auf die Kinetik und "den" Endwert eingegangen. Anschließend
werden die Schülerinnen und Schüler aufgefordert, sich zu überlegen,
wie für ihren Körper die entsprechenden Meßwerte aussähen.
Das Ergebnis können sie aus ihrem Erfahrungsbereich (Fiebermessen)
ableiten. Es wird die Definition für "gleichwarm" gegeben und mitgeteilt,
daß alle Säugetiere gleichwarm sind. An der Tafel wird festgehalten
und in das Heft übertragen:
Beobachtung: Die Flüssigkeit nimmt die Umgebungstemperatur
an.
In einem Unterrichtsgespräch wird erarbeitet, daß Wärme( energie ) von der Flüssigkeit an die Umgebung abgegeben wurde ( Wärmeabgabe ) und daß das das bei Säugetieren auch so ist. Für die Kinder ist es unmittelbar einleuchtend, daß in kalter Umgebung der Wärmeverlust besonders groß ist; an dieser Stelle führt man den Eisbären als Untersuchungsobjekt für die weiteren Betrachtungen ein. Entweder haben die Schülerinnen und Schüler schon von sich aus das Problem erkannt oder sie müssen noch durch Fragen hingeleitet werden.
Frage: Wieso bleibt beim Eisbären trotz ständiger Wärmeabgabe die Körpertemperatur gleich ?
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2. | Die Hausaufgabe wird kontrolliert;
sie wird auch von den Kindern als sinnvoll angesehen, da sie direkt für
den Unterricht genutzt wird; außerdem bedeutet sie eine große
Zeitersparnis. Zwei Tatsachen (Abkühlung, konstante Körpertemperatur), die schon bekannt waren, wurden bewußt gemacht, generalisiert und eine Fragestellung daraus abgeleitet. Die Begriffe "gleichwarm" und "wechselwarm" wurden definiert. Gleichwarm wird als eine aktive Leistung angesehen. Die Schülerinnen und Schüler haben eine Frage aufgeworfen, an deren Lösung jetzt gearbeitet werden kann. |
3. | In einem Unterrichtsgespräch,
das auf den Erfahrungsschatz der Kinder zurückgreift, werden Hypothesen
gebildet. Der Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Frage, wie man
im Haushalt den Kaffee heiß halten kann. Es werden Isolierkanne und
Heizplatte der Kaffeemaschine genannt und auf das Tier übertragen.
Oft wird auch ohne diese Hilfsfrage schon das Fell des Eisbären als
Isolation genannt.
Vermutungen: Der Eisbär besitzt ein Fell, das
isoliert und eine innere Heizung. |
3. | Es werden Erfahrungen der Kinder aus dem Bereich der Haushaltstechnik modellhaft auf den Wärmehaushalt des Tieres übertragen (" umgekehrte" Bionik ). Bei der Heizplatte kann schon darauf hingewiesen werden, daß nicht kontinuierlich geheizt wird ( Kontrollämpchen ). Man kann davon sprechen, daß die Temperatur geregelt wird; der "Regelkreis" fällt der didaktischen Reduktion zum Opfer. Der Transfer stellt eine Leistung in abstraktem Denken da. |
4. | Das Gespräch wird fortgesetzt;
es wird überlegt, was dem elektrischen Strom, der die Platte geheizt
hat, entspricht. Von der Lehrerin bzw. dem Lehrer wird mitgeteilt, daß
das Fell und eine Fettschicht das Tier isolieren und daß es, wie
alle Säugetiere, eine innere Heizung besitzt. Die bisherigen Ergebnisse
werden in einem Flußdiagramm ( Abbildung 1 ) festgehalten, das später
ergänzt wird ( Sonne ).
Forschungsergebnisse: Skizze nach Abbildung 1
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4. | Die Schülerinnen und Schüler
lernen ein einfaches Energieflußdiagramm kennen. Es können erste
Überlegungen zu einem Fließgleichgewicht angestellt werden.
Daß es sich um ein offenes System handelt, geht aus dem Diagramm
hervor, auf den Fachausdruck kann verzichtet werden.
Ein Schönheitsfehler ist, daß keine Versuche zur Überprüfung der Hypothesen durchgeführt oder wenigstens vorgestellt werden. Experimente zur Wirkung von Isolationsstoffen /2/ fallen aus Zeitgründen weg ( sie können von den Kindern zu Hause auch leicht selbst durchgeführt werden ) und die zur inneren Heizung fallen aus Gründen der Komplexität weg. |
5. | Indem man durch eine kurze Schilderung
die Kinder in der Vorstellung in die Sommerzeit und in ein Schwimmbad versetzt,
kann man sie auf das "Sonnenbaden" hinleiten.
Das Schema wird durch die Sonne und die dadurch mögliche Wärmezufuhr ergänzt; die Bedeutung wird durch eine Gleichung unter dem Schema hervorgehoben.
Nahrungsanteil für Heizung + Wärmezufuhr durch die Sonne = Wärmeverlust des Bären
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5. | Es wird deutlich, daß das Tier Nahrung einsparen kann, wenn es sich durch die Sonne aufwärmt. Das ist besonders wichtig, wenn die Nahrung knapp ist. Dieser Aspekt wird später bei der Behandlung von wechselwarmen Tieren wieder aufgegriffen. |
6. | Dieser Aufwärmeffekt durch die "Sonne" wird nun an einem weißen und einem braunen "Bären" untersucht (2). Die Ausgangswerte werden notiert; während die Modelle sich erwärmen, wird der Versuchsaufbau an der Tafel (Abbildung 3) skizziert. Am Ende der Beobachtungszeit werden die entsprechenden Werte abgelesen, aufgeschrieben [Tabelle unter (2)], die Folgen für den Eisbären diskutiert und das Ergebnis unter das Tafelbild geschrieben. |
Abbildung 2 Abbildung 3 Die Schülerinnen und Schüler der Klasse 5a (Schuljahr 2000/2001) haben als Hausaufgabe den Versuchsaufbau gezeichnet. Aus der Fülle der Bilder wurden einige ausgewählt, die Sie ansehen können. Ausgewählte Bilder von Schülerinnen und Schülern der Klasse 5a (Schuljahr 2007/2007). | |
Beobachtung: Dunkelfarbige Tiere erwärmen sich stärker als hell gefärbte. Folgerungen: Für den Eisbären bedeutete es eine Energie- und Nahrungseinsparung, wenn er dunkel gefärbt wäre.
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. | Das Funktionsmodell ermöglicht
in kurzer Zeit eine für diese Altersstufe zuerst verblüffende
Beobachtung. Bei der Diskussion der Ursachen sollten Begriffe aus der Alltagssprache verwendet werden. Die Sonnenstrahlen werden von dunklen Gegenständen stärker eingefangen und von hellen mehr zurückgeworfen. Die Beobachtung kann auf helle und dunkle Kleidung übertragen werden.
Es handelt sich hier um ein für diese Altersstufe gut geeignetes Beispiel um zu zeigen, daß Tiere bzw. Organe nicht für eine Funktion konstruiert sind, sondern viele erfüllen müssen. |
7. | Von den Kindern wird, meist schon
vermischt mit den vorherigen Überlegungen, der "Grund" genannt.
Mit einem dunklen Fell wäre der Eisbär in seinem Lebnsraum nicht getarnt. Eine gute Tarnung ist offensichtlich wichtiger ( Flußdiagramm ) als eine Energieeinsparung.
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7. | Das Beispiel zeigt, daß auch für einen Räuber Tarnung wichtig sein kann. Es zeigt weiterhin, daß man das Tier als Gesamtheit ( System ) sehen muß und die Summe der Eigenschaften ( der Begriff der Gesamtfitness sollte hier noch nicht benutzt werden) entscheidend ist. Das Beispiel zeigt auch, daß der "Wert" eines Merkmales vom Lebensraum abhängt. |
8. | In einem Lehrervortag und einer
Demonstartion eines weiteren Funktionsmodells (3) (Abbildung
4) werden die Eigenschaften der Eisbärhaare erläutert und demonstriert
und an Hand eines Dias (4) gezeigt, daß Eisbären
schwarze Haut haben.
Abbildung 4 Untersuchungsergebnis: Hier wird ein kleines Arbeitsblatt nach Abbildung 5 eingeklebt. Abbildung 5 Sonnenstrahlen, die auf die Haare des Eisbären treffen, werden auf die schwarze Haut geleitet. Das Tier ist getarnt und wird trotzdem erwärmt.
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8. | "Umgekehrte" Bionik, "Aha-Effekt",
großartige Lösung der beiden "Probleme".
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Da man nicht damit rechnen kann, daß ein entsprechendes Thermometer im Haushalt vorhanden ist, wird den Kindern eines ausgeliehen.
Falls die Schule keinen Klassensatz besitzt, kann die Aufgabe nur von einigen Kindern durchgeführt werden.
(2) Aus weißer und dunkelbrauner Fimo-Knetmasse werden Bären (Abbildung 2) modelliert. In die Mitte wird ein Thermometer eingeschoben und die Masse wird anschließend im Bachofen bei 1300C gebrannt ( das Thermometer muß so gewählt sein, daß es diese Temperatur aushält).
Die beiden Bären werden an den Thermometern so aufgehängt, daß sie etwa 20cm von der Mitte einer Wärmelampe (z.B. Philips infraphil) entfernt sind. Die Körpertemperaturen werden abgelesen; die Raumtemperatur wird an einem anderen Thermometer kontrolliert. Die Lampe wird eingeschaltet und nach 5 und 10 Minuten erneut abgelesen.
Tabelle
10.00 Uhr | 10.05 Uhr | 10.10 Uhr | |||
Körpertemperatur Braunbär
Körpertemperatur Eisbär Raumtemperatur |
210C
220C 210C |
"Sonne" scheint | 310 C
280 C 210 C |
"Sonne" scheint | 410 C
350 C 210 C |
(3)Zwei nicht ummantelte Glasfaserlichtleiter (Bezugsquelle Conrad electronic) dienen als Modell der Eisbärhaare. Sie werden von einer Kaltlichtquelle ("Sonne") bestrahlt; das Ende des einen "Haares" ist auf schwarze, das des anderen auf weiße Pappe gerichtet (Abbildung 4 oder 5). Man erkennt deutlich, daß das Licht unterschiedlich stark absorbiert bzw. reflektiert wird.
(4)Jetzt zeigt man eine Abbildung (z.B. aus /3/) der schwarzen Nasenspitze eines Eisbären und teilt mit, daß die Haut des Eisbären überall schwarz ist.
Literatur
/1/ Bossert, U.: Die schwierige Lage des Biologieunterrichts
– und damit auch der Schülerinnen und Schüler. – In: Biologie
in der Schule. -
/2/ Schütte, H.: Winterkleidung. In: Unterricht Biologie.
– Seelze 3 (1979) 40, S. 18 - 26
/3/ Larsen, T.: Die Welt der Eisbären. – Landbuch.
– Hannover, 1978
/4/ Häcker, B. u.a.: Bionik – Natur als Vorbild.
– In: Biologie in unserer Zeit. – Weinheim 26 (1996) 6, S. 339
21. September 2000
/ ergänzt Dez. 2009
© B.Bossert.