Regulation des Blutzuckerspiegels
Der nachfolgende Artikel ist erschienen in: Biologie in der Schule 48 (1999) 4. - S. 204 - 208
Regelkreise haben sich gewiß zu einem frühen Zeitpunkt der Evolution (Hyperzyklus) herausgebildet. Betrachtet man heute das Gebiet der Biologie, so gibt es die unterschiedlichsten Größenordnungen. Ein einfacher Fall, bei dem nur Moleküle innerhalb einer Zelle beteiligt sind, ist die Regulation der Enzymaktivität durch das Endprodukt der Stoffwechselkette. Bei der Blutzuckerregulation werden Stoffwechselaktivitäten eines Lebewesens aufeinander abgestimmt. Folgt man der Ansicht einiger Biologen, dann ist Gaia sicher eines der größten Regelsysteme.
Wie der vollständige Titel von Norbert Wieners berühmtem Buch "Cybernetics: or Control and Communication in the Animal and the Machine" /1/ schon programmatisch verkündet, spielen Regelkreise außerdem in der Technik eine große Rolle.
Die Entwicklung des Regelkreises des Blutzuckerspiegels beim Menschen ist für eine Doppelstunde der 10. Klasse oder eines Oberstufenkurses gedacht. In Klasse 10 wird dabei die allgemeine Wirkungsweise von Hormonen entwickelt oder wiederholt. Je nach Thema des Oberstufenkurses kann der Regelkreis Wiederholung und Ausgangspunkt für die Besprechung der Wirkungsweise von G-Proteinen und die Aktivierung / Hemmung von Enzymen sein.
In der folgenden Übersicht wird die Auswahl der Inhalte der Doppelstunde begründet.
Erarbeitung des Regelkreises
Mit Hilfe der Beobachtungen und Versuchsergebnisse, die auf den beiden Arbeitsblättern dargestellt sind, wird der Regelkreis für den Blutzuckerspiegel entwickelt.
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Nummer 1 der Arbeitsblätter
Von den Schülern werden "input", "output" und die Gesamtmenge des Blutzuckers gegenübergestellt. Obwohl nur ein kleiner Teil der aufgenommenen (eben nur das Frühstück) und der verbrauchten Glucosemenge betrachtet wird, stehen schon sie in keinem Verhältnis zu der geringen Glucose - Gesamtmenge des aufnehmenden bzw. anliefernden Blutes. Aus der Diskrepanz der drei Werte muß man auf einen / mehrere Speicher schließen, die effektiv Glucose aufnehmen und auch wieder abgeben. Vom Lehrer wird mitgeteilt, daß in der Leber (bis zu 20% des Gesamtgewichts) Glucose in Form von Glycogen deponiert werden kann; im Muskel werden geringe Mengen (0,5% des Gesamtgewichts) gespeichert.
Nummer 2 der Arbeitsblätter
Aus den geschilderten Beobachtungen soll geschlossen werden, daß Defekte bei der Speicherung auftreten können, die zu dem Krankheitsbild führen. Schon hier sollte man deutlich hervorheben, daß Diabetes mellitus ("honigsüßes Hindurchfließen") nicht harmlos ist, aber sich heute in Zusammenarbeit von Arzt und Patient gut behandeln läßt – und damit keine Zucker"krankheit" ist. Der Lehrer teilt mit, daß in der Bauchspeicheldrüse verstreut die Langerhansschen Inseln (Gesamtgewicht etwa 2,5g) mit den A- und B-Zellen (a - und b -Zellen) liegen und die Hormone Glucagon bzw. Insulin bilden.
Im Zusammenhang mit Punkt 2a. sollten die Schüler Teststäbchen als einfache Möglichkeit der halbquantitativen Erfassung von Stoffen in Urin und Blut kennenlernen. Dazu setzt man als Stammlösung 1l Kamillentee mit 10g Glucose an und stellt nach den Angaben in der Tabelle mit 10ml Vollpipetten eine Verdünnungsreihe her. Mit Teststreifen zum Schnellnachweis von Glucose im Urin (z.B. Medi-Test Glucose) werden die Glucosekonzentrationen bestimmt.
Lösung |
Konzentration |
Testergebnis [mg/100ml] |
1 |
Stammlösung |
1000 |
2 |
10ml L1 + 10ml Wasser |
500 – 1000 |
3 |
10 ml L2 + 10 ml Wasser |
500 |
4 |
10 ml L3 + 10 ml Wasser |
150 – 500 |
5 |
10 ml L4 + 10 ml Wasser |
150 |
6 |
10 ml L5 + 10 ml Wasser |
50 |
Der Lehrer teilt mit, daß nach dem selben Prinzip, aber technisch aufwendiger gestaltet, ganz einfach mit einem kleinen Gerät (z.B. Glucometer DEX) die Glucosekonzentration im Blut bestimmt werden kann (Abbildung 1).
Blutzuckerwerte sollten beim Erwachsenen nach dem Essen nie höher als 160 mg/100ml ( = 160mg/dl = 160mg% = 8,89 mmol/l) liegen. Wenn sie erhöht sind, deutet das auf Diabetes hin.
Nummer 3 der Arbeitsblätter
Der Kurvenverlauf der Abbildung 2 bestätigt die vorher gewonnen Vorstellungen. Nachdem die beteiligten Organe nochmals aufgezählt wurden, wird ein weiteres Arbeitsblatt ausgeteilt, auf dem diese Organe bzw. Zellen schematisch dargestellt sind und das zum Regelkreis ergänzt werden kann. Dabei sollte man zur besseren Übersicht Farben verwenden und den Stoffluß (durchgezogen) von dem Informationsfluß (gestrichelt) unterscheiden.
Nummer 4 der Arbeitsblätter
Die in Abbildung 3 dargestellten Untersuchungsergebnisse zeigen, daß Diabetes eine Sammelbezeichnung ist und bei den prinzipiellen Überlegungen kommt man zu dem Ergebnis, daß bei Synthese und Freisetzung des Insulins, seinem Transport (Antikörper), seinem Rezeptor und seiner indirekten Wirkung im Zellinneren Fehler auftreten können. Diese Überlegung ist sehr wichtig, da sie für alle (Protein-) Hormone zutrifft. Aus dem Verlauf der Kurven À und Á kann man folgern, daß Übergewichtige mehr Insulin benötigen, um den selben Effekt (normaler Blutzuckerspiegel) zu erreichen. Wird die riesige Produktion nicht mehr erreicht, kommt es zum Diabetes (Â ). Die Fehlerquelle liegt bei den Rezeptoren, deren Zahl (105 pro Leberzelle) vermindert ist oder die unfähig sind, das Insulin zu binden. Daneben gibt es Menschen (Ã ), deren B-Zellen nicht in der Lage sind, ausreichende Mengen (bei absolutem Mangel wird kein Insulin gebildet) zu produzieren oder freizusetzen.
Nummer 5 der Arbeitsblätter
Aus den Untersuchungsergebnissen kann man schließen, daß der Vorgang reversibel ist und sich die Insulinbindung wieder verbessern läßt bzw. daß man auch bei einer Disposition den einen Diabetes-Typ durch Bewegung, Diät und Normalgewicht u.U. verhindern kann.
Nummer 6 der Arbeitsblätter
Bei der Zusammenfassung kann man nach dem folgenden Beispiel die beiden Arten gegenüberstellen.
Arten des Diabetes |
Typ I |
Typ II |
Beginn |
normalerweise bei Kindern oder jüngeren Erwachsenen |
normalerweise bei übergewichtigen Erwachsenen ab 40 Jahren |
Ursache |
Erbgut und andere Faktoren führen zu einem Versagen der Insulinproduktion |
Erbanlagen und Übergewicht führen zu einer Resistenz der Körperzellen gegenüber der Insulinwirkung |
Beginn |
rasch |
schleichend |
Symptome |
extremer Durst, Müdigkeit, häufiges Urinieren |
kann ohne Symptome auftreten, evtl. wie bei Typ I |
Behandlung |
Diät, körperliche Aktivitäten Insulininjektionen (lebensnotwendig) |
Diät, körperliche Aktivität, Gewichtsabnahme |
Vorbeugung |
noch nicht möglich |
Normalgewicht, Diät, körperliche Aktivitäten |
Ziel dieses Unterrichtsgespräches ist es, die Schüler zu sensibilisieren (Diabetes vom Typ II wird häufig nicht oder zu spät erkannt), ihnen klarzumachen, daß, falls man betroffen ist, es darauf ankommt, sich umfassend zu informieren und den Blutzuckerspiegel scharf einzustellen (Ergebnisse der Langzeitstudie der United Kingdom Prospective Diabetes Study Group). Wenn man an die weitere Entwicklung der Nanotechnik (Sensor kombiniert mit Insulinpumpe) /6/ und die sich abzeichnende Transplantationstechnik /7/ denkt, werden die Spätfolgen sicher immer mehr zurückgedrängt werden können.
Literatur
/1/ Wiener, N.: Cybernetics. – The M.I.T. Press. – Cambridge1948
/2/ Schneider, M.: Physiologie des Menschen. – Springer. – Berlin 1966. – S. 371
/3/ Gotthard, W.: Hormone – Chemische Botenstoffe. – G. Fischer. – Stuttgart 1993. – S. 49
/4/ Gerok, W.: Defekte an Zellrezeptoren als Ursache endokriner und metabolischer Krankheiten. – In: Verhandlungen der GDNÄ. – Berlin 1979. – S. 97
/5/ Eckel, J. et al.: Der Insulinrezeptor. – In: Biologie in unserer Zeit. – Weinheim 11 (1981 )5.- S. 154
/6/ Langer, R. et al.: Artificial Organs. – In: Scientific American. – New York 273 (1995) 9. – S. 103
/7/ Lacy, P.: Treating Diabetes with Transplanted Cells. – In: Scientific American. – New York 273 (1995) 7. – S. 40 – 46
50 |
g |
Corn-flakes |
40 |
g Kohlenhydrate |
100 |
ml |
Vollmilch |
5 |
g Kohlenhydrate |
50 |
g |
Brötchen |
29 |
g Kohlenhydrate |
10 |
g |
Butter |
Spuren |
von Kohlenhydraten |
15 |
g |
Honig |
12 |
g Kohlenhydrate |
100 |
g |
Kakaogetränk |
10 |
g Kohlenhydrate |
|
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